Schwieriges Fokussieren mit Digitalrückteilen?

  • Hallo,

    Ich habe jetzt im Netz mehrfach gelesen, dass das Fokussieren mit einem Digitalrückteil nicht so ganz einfach sein kann. (Aus diesem Grund hat ja Arca Swiss wohl damals auch die R-Linie eingeführt mit dem 5-fach drehbaren Helicoid-Ring.)

    Kann mir jemand sagen, warum das so ist? Ist es denn von der Fokussiergenauigkeit her nicht völlig Wurscht, ob ich auf einen Film oder einen Chip belichte?

    Grüße Schwarzweißseher

  • Nicht ganz.

    Der Film ist in der Regel deutlich größer als der Chip. Um eine vergleichbare Bildqualität auf dem Chip zu erzielen, muß eine deutlich höhere lokale Auflösung erreicht werden, was ein sehr viel präziseres Fokussieren erfordert.

    Sehr hilfreich fürs Fokussieren ist, wenn das Digitalrückteil eine gut nutzbare Live-Vorschau bietet, in die man auch bis auf Pixel-Ebene 'reinzoomen kann.

    Gruß
    Wilfried

  • Die geometrische Optik sagt mir, dass ich bei den kleineren Sensoren allenfalls eine kleinere Schärfezone habe. Das hat aber mit "präzisem" Fokussieren nur mittelbar zu tun. Wenn ich bei GF die Schärfezone nicht so sehr genau treffen muss, verstehe ich etliche Qualitätsbegründungen für GF nicht. Da hätte ich ja die Chance, auf Silberfilm mit recht großen Toleranzen arbeiten zu dürfen!?

    Arg irritierte Grüße von hp

    ps: Was ich natürlich verstehe, ist, dass die Kamera stabil genug sein muss, dass sich der Fokus nicht mehr verschieben kann (wenn er denn gefunden ist).

    Al é bun sciöch' al é ...

  • Hallo,

    Ich habe jetzt im Netz mehrfach gelesen, dass das Fokussieren mit einem Digitalrückteil nicht so ganz einfach sein kann. (Aus diesem Grund hat ja Arca Swiss wohl damals auch die R-Linie eingeführt mit dem 5-fach drehbaren Helicoid-Ring.)

    Kann mir jemand sagen, warum das so ist? Ist es denn von der Fokussiergenauigkeit her nicht völlig Wurscht, ob ich auf einen Film oder einen Chip belichte?

    Grüße Schwarzweißseher

    Mit den neuesten Rückteilen (CMOS) mit guter Videofunktion geht das sehr gut, mit CCD-Sensoren und schlechter Videovorschau ist das kompliziert.
    Ich kann nur über Labtop scharfstellen, ansonsten riskiere ich das viele Fotos nicht richtig scharf sind. Manchmal entscheidet ein gefühlter 1/10 mm über scharf oder unscharf. Ein Linhof Techniker sagte mir einmal dass die Toleranzen Analog zu Digital 1 zu 10 ist, also nur 1/10 betragen dürfen, das erklärt vieles.
    Grüße

  • HP, mal ein Beispiel:

    Wir fotografieren dasselbe Motiv zweimal. Einmal mit einer 8x10"-Großformatkamera auf Planfilm, und einmal mit einer kleineren optischen Bank für ein Digitalrückteil mit sagen wir 60x45 mm Sensorgröße. (Ich glaub die sind meistens sogar noch kleiner.)

    Der Einfachkeit sagen wir, daß das Motiv eher "breit als hoch" ist, und daß daher die Bildbreite das relevante Maß darstellt. Wir haben hier den Faktor 4,08 vom Mittelformat-Sensor zum Großformat-Film. Vereinfacht also Faktor 4.

    Angenommen, das Motiv hat viel Tiefe. Die optimale Blendeneinstellung, um überall im Bild die maximale Schärfe zu erzielen, sei für das 8x10"-Großformat unter den gegebenen Umständen f/45.

    Wenn wir nun dasselbe Motiv mit demselben Bildwinkel mit dem viel kleineren Digitalsensor fotografieren wollen, brauchen wir eine ca. 4x kleinere Brennweite. Wir müssen deutlich weniger abblenden, kämen hier ca. auf f/11. Und das sollten wir auch, denn bei f/45 würde die Beugungsunschärfe auf dem Digitalsensor doch ziemlich Auflösung kosten. (Die optimale Blendeneinstellung wird mit der kürzeren Brennweite ca. 4x kleiner sein, so daß hier auch ca. 4x mehr lokale Auflösung möglich wird, wegen weniger Diffraktion. Dies ist auch nötig, um mit dem Digitalsensor dieselbe Qualität zu erzielen wie mit dem riesigen Planfilm.)

    Da wir so viel weniger abblenden, wirkt sich ein Fehlfokus hier mit dem Digitalsensor 4x stärker auf die lokale Auflösung auf dem Aufzeichnungsmedium aus. Das ist unabhängig von der verwendeten Kamera: 4x kleinere Blendenzahl bedeutet daß ein Fokusfehler sich 4x stärker auswirkt.

    Erschwerend kommt jetzt jedoch hinzu, daß das auf dem 4x schmaleren Sensor aufgezeichnete Bild, bezogen auf den Print (den wir irgendwann ausdrucken wollen), ca. 4x stärker vergrößert werden muß im Vergleich zur 8x10"-Kamera. Beispiel:

    Wir erzeugen aus irgendwelchen Gründen einen Zerstreuungskreis der Größe 1mm auf dem Planfilm. Wir streben einen Print von ca. 50cm Breite an. Den 8x10"-Film müssen wir dazu nur ca. 2x vergrößern, auf dem Print wird der Zerstreuungskreis nun mit einer Größe von 2mm sichtbar.

    Wenn wir aus irgendwelchen Gründen einen Zerstreuungskreis von 1mm auf dem Sensor erzeugen, ist das schlimmer: Wir müssen hier das Bild um den Faktor 8 (ungefähr) vergrößern, um die gewünschte Breite von 50 cm im Print zu erzielen, somit wird das Ding mit 8mm Größe auf dem Print sichbar!

    So, diese beiden "Faktoren" wirken jedoch beide gleichzeitig! Das bedeutet: Wir müssen 4x genauer fokussieren wegen der weiter offenen Blende, und nochmals 4x genauer, weil wir stärker vergrößern müssen.

    Man kann sich also tatsächlich mit der 8x10"-Kamera einen 16x so großen Fokusfehler leisten wie mit dem Digitalsensor.

    Viele Grüße
    Wilfried

    Einmal editiert, zuletzt von wwelti (9. April 2018 um 13:35) aus folgendem Grund: Ooops. Sorry, bin etwas daneben, hatte statt mm cm geschrieben.

  • 60x45cm? Ja ja ja! Mir würde 4x5 (als Zollmaß) schon reichen, soweit ich mich aber entsinne, sind Digitalsensoren nicht so sehr glücklich über Strahlen, die nicht schön senkrecht einfallen (telezentrische Objektive sollte da das Stichwort sein). Das ist wohl nicht besonders praktisch, wenn man verschiebt, scheimpflügt, was auch immer. In dieser Hinsicht sind die Scannerrückteile doch günstiger.

    @Wilfried: Du hast natürlich vollkommen recht. Der dezent absurde Schluss daraus lautet, dass GF entschieden fehlertoleranter ist. Mit einem 60x45 (diesmal aber mm) Sensor muss ich viel sorgfältiger arbeiten - das gilt natürlich auch für einen silberhalogenidhaltigen Sensor (hier Rollfilm 120).

    Mir sind die oben beschriebenen Gedanken auch nur in den Sinn gekommen, weil ich so schrecklich oft vernommen habe, welche Sorgfalt GF erfordert. Zumindest beim Fokussieren sind wir dann auf einer toleranteren Seite!

    Und jetzt ganz im Ernst. Sorgfältiges Fokussieren sollte Grundvoraussetzung sein, und - wie erwähnt - die Kamera sollte danach nicht mehr "verrutschen". Die "digitale Sorgfalt" benötigen wir aber eben auch spätestens bei der Verwendung von 120er Filmen. Das ist vermutlich nicht die Killerapplikation für GF.

    Heitere morgendliche Grüße von hp

    Al é bun sciöch' al é ...

  • Sorry bin wohl etwas daneben. Natürlich Millimeter.

    Tjaja, 60x45cm als Digitalrückteil wäre schon erstaunlich :)

    Das praktische bei Großformat ist: Selbst bei "schlampigem" Fokussieren erzielt man noch ziemlich gute Ergebnisse. Eben weil man so weit abblendet und dazu noch sowieso kaum noch Vergrößerung notwendig ist, bei 8x10" in vielen Fällen überhaupt nicht.

    Was ich persönlich jedoch auch interessant finde, ist: Was man mit Großformat bei sehr präziser Arbeitsweise erreichen kann (ein für weniger weites abblenden passendes Motiv vorausgesetzt). Ein ordentlicher Film hat nämlich durchaus einiges an Auflösungsvermögen. Und es gibt ausgezeichnete Großformat-Objektive, die mehr als nur Erstaunliches zu leisten imstande sind. :)

    Viele Grüße
    Wilfried

  • Und wenn ich das in dem Video richtig verstanden habe (so kurz vor Ende), wird da ja auch das ganze Gefriemel mit Shift und Tilt erstmalig verständlich demonstriert: nix mit Objektivstandarte ODER Filmstandarte bewegen, nein, einfach die ganze Kamera hin- und herschwenken, GF kann so einfach sein...

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