Moin Moin,
nachdem ich nun urlaubsbedingt etwas verspätet auch meine 8x10 Intrepid in Empfang nehmen konnte, wollte ich meine ersten Erfahrungen mit euch teilen.
Zwei Dinge vorweg:
Wer an die Intrepid die gleichen Maßstäbe hinsichtlich Qualität, Präzision und Komfort ansetzt, wie an die 10-20x so teuren Pendants von Sinar, Toyo oder Arca, wird mit dieser Kamera nicht glücklich. Daher werde ich mich in dem Beitrag ausschließlich darauf beziehen, was DIESE Kamera leisten kann, bzw. was hilfreiche Adaptionen wären, nicht, was 8x10 Kameras prinzipiell für Profis oder Perfektionisten leisten sollten. Man erhält bei Intrepid den Gegenwert der Investition, nicht mehr und nicht weniger.
Da ich das Projekt als Early Bird unterstützt habe, bedurfte es auch bei mir eines neuen Rückteils, welches ich völlig unproblematisch nach drei Tagen erhalten habe. Ich sehe dies pragmatisch, da es zum einen nur die erste Lieferung betrifft (alle weiteren erhalten bereits das neue Rückteil) und zum anderen habe ich so ein kostenloses Rückteil zum Experimentieren für eine 4x5 oder 13x18 Adaption – was will man mehr.
P.s.: Bis auf die Mattscheibenbilder sind die Bilder Fuji Fp100c (dank starker Farbverschiebungen des lang abgelaufenen Films in S/W konvertiert)
Die Kamera ist trotz ihrer Größe herrlich leicht und vor allem sehr flach, was sie als Reisekamera prädestiniert. Auf meinem Sirui K30X und dem alten Manfrotto 055XPROB wird sie in allen Positionen und Auszügen perfekt festgehalten – da brauche ich zum Glück keine Neuinvestition. Sie passt perfekt in meine Arca Swiss Tragetasche (für kurze Strecken) ebenso wie in meinen Tamrac Expedition 7 (für Wanderungen). Im Rucksack passen zwei Objektive und vier Planfilmkassetten (2 im Hauptfach, 2 im „Notebookfach“), in der Arca-Tasche passen 3-4 Objektive und 2-3 Planfilmkassetten neben all dem üblichen Gerödel hinein. Der Vorteil ist, dass die Planfilmkassetten mit ihren Neoprenhüllen auch gleich die Mattscheibe der Kamera beim Transport schützen. Andernfalls würde ich mir hier noch einen Mattscheibenschutz basteln.
Einmal als Vergleich meine drei „ultraleicht“ – GF-Kameras für 9x12, 4x5 und nun 8x10
Wer selbst hölzerne Laufbodenkameras nutzt, ist mit der Nutzung der Kamera in Sekunden vertraut, ein Aufbau dauert weniger als eine Minute. Ich selbst bin kein Freund davon, die Grundposition der Frontstandarte über verschiedene Schraubenpositionen beim Aufbau einzustellen, aber es funktioniert und ermöglicht so auch sehr kurze Brennweiten (120mm nimmt sie ohne Probleme). Der Vorteil ist die damit verbundene Flexibilität bei gleichzeitig sehr einfacher Konstruktion der Frontstandarte für alle relevanten Verstellwege. Damit handelt sich Intrepid jedoch gleichzeit den Nachteil ein, dass die Frontstandarte sehr schwingungsanfällig wird. Für den Objektivträger gibt es angenehmer Weise eine Nullraste für die Höhe, jedoch keine für das Alignment des Winkels und somit der Standartenparallelität. In Nullstellung ist dies unproblematisch, da der Objektivträger bündig mit den seitlichen Trägern der Standarte abschließt. Etwas schwieriger ist es beim shiften, da hier der Objektivträger ca. 2mm nach hinten aus der Nullraste „gedrückt“ wird, um ihn nach oben oder unten in den Führungsrillen schieben zu können. Hilfreich wäre hier eine Gravur auf der Innenseite der seitlichen Standartenträger, um eine parallele Einstellung zu erleichtern. Tilts und Swings sind jeweils nur durch den Balgen begrenzt und ermöglichen jede erdenkliche Verlagerung der Schärfeebene. Als Hilfestellung sind im Laufboden kleine Führungslinien eingraviert, was für Tilts ebenso hilfreich wäre. Ideal wären etwas größere und stärker geschwärzte Linien, um deren Sichtbarkeit bei schlechten Lichtverhältnissen zu verbessern. Gradzahlen wären dann das I-Tüpfelchen. Alle Verstellwege sind gut einstellbar und werden durch die Arretierschrauben auch festgehalten, allerdings benötigt man immer zwei Hände. Diese sollten zudem ruhig sein, damit nicht beim Anziehen der Schrauben wieder etwas verrutschen kann, was bei einem 1,5Kg Objektiv leicht passieren könnte. Einmal festgezogen hält die Frontstandarte dieses Gewicht problemlos, allerdings sollte man wenigstens 10 Sekunden bis zum Auslösen vergehen lassen, um die Standarte aufgrund des hohen Masseschwerpunkts bei kleiner Auflagefläche ausschwingen zu lassen. Bei den bisherigen vier Aufnahmen ist jedenfalls keine verwacklungsbedingte Unschärfe zu erkennen.
Der Objektivträger ist für Standard Sinar Platinen ausgelegt, was die Verbreitung der Kamera befördern dürfte. Da bei mir fast alle Objektive auf Linhof Technika Platinen montiert sind, habe ich mir schnell noch einen Adapter gebastelt, der mir für die ersten Tests einen guten Dienst erwiesen hat. Einen Sinar-Hili werde ich in den nächsten Tagen für meine älteren Objektive testen. Das 120er Nikkor auf der vertieften Sinar-Platine rastet absolut sauber und spielfrei in den Objektivträger ein, da gibt es nix zu meckern. Für den oberen Schieber (jener am Objektivträger, um die Platine zu arretieren), wäre es meiner Meinung nach praktischer, einen mittigen Griff, statt zwei nebeneinanderliegender zu konstruieren, da hier zur Bedienung immer zwei Hände nötig sind, wodurch ggf. die Dritte zum festhalten des Objektivs fehlt.
Der Laufboden lässt sich zum Fokussieren geschmeidig einstellen, auch Millimeterbruchteile sind exakt möglich. Leider bewegt die Feststellschraube beim Anziehen den Laufboden minimal mit, weshalb man für kritische Fokussierungen die Fokussierschraube festhalten sollte. Prinzipiell ist der Laufboden mit den Zahnradschienen wirklich gut und präzise gearbeitet, was mir für ein flüssiges Arbeiten sehr wichtig ist. Konstruktionsbedingt wird der Laufboden umso instabiler, je weiter er ausgezogen ist. Bis zum zweiten Drittel bin ich sehr zufrieden, danach sollte man die Ausschwingzeit noch etwas verlängern
Der Balgen ist schön fest und stabil (gut bei Wind) und macht alle Bewegungen sehr sanft mit. Auch das Material selbst sieht auf den ersten Blick recht strapazierfähig aus. Da er an den Standarten angeklebt ist, schließt sich ein Wechsel-Weitwinkelbalgen vorerst aus.
Die Rückstandarte ist meines Erachtens nach ausgezeichnet, absolut verwindungssteif und fest konstruiert – da wackelt absolut garnichts. Die Rückstandarte lässt Tilts balgenbegrenzt zu. Für meine Bedürfnisse/Ziele genügen diese Verstellwege völlig, andere könnten die fehlenden Swings und Shifts vermissen. Die aktuelle Version des Rückteils hat Neodym Magneten im Träger und Rückteil, was das Einrasten angenehm vereinfacht. Zusätzlich sind noch zwei seitliche Arretierschrauben angebracht, die nun mit einer Kappe aus dem 3D-Drucker vor dem Herabfallen gesichert sind. Das ist hervorragend gelöst, da sich die Schrauben, die ein paar Millimeter über den Rand hinausragen, so weiterhin mit einem Finger gut festziehen lassen. Ein Wechsel von Vertikal auf Horizontal ist so in ein paar Sekunden erledigt.
Die Mattscheibe selbst ist wunderbar: Hell, kontrastreich und ein eingelasertes, dezentes aber gut sichtbares Gitternetz mit enger Rasterung. Hinreichend verdunkelt ist es ein Traum, das Bild auf der riesigen Mattscheibe zu komponieren und selbst bei normalem Raumlicht (naturgemäß weniger in freier Wildbahn bei Tageslicht) lässt sich noch gut damit arbeiten und Fokussieren. Ich weis nicht, wie Ihr es handhabt, aber bei 8x10 kommt meine 7x Linhof Einstelllupe an die Grenze, um wirklich exakt zu fokussieren. Ich habe daher eine einfache 10x Peak-Lupe genommen, was deutlich angenehmer ist. Um ein Verrutschen der Mattscheibe zu vermeiden sind jetzt an den Gummibändern zusätzlich kleine Stopps eingebaut, was simpel und effektiv die gewünschte Wirkung zeigt. Die Gummibänder selbst erweisen sich trotz ihrem filigranen Ansehen als äußerst robust, weshalb ich meine anfänglichen Bedenken zerstreuen konnte. Die Planfilmkassetten lassen sich gut ins Rückteil einsetzen und herausziehen und werden sehr gut gehalten, auch beim Herausziehen des Schiebers bleiben sie exakt in Position.
... Dank Anhangsbeschränkung gleich mehr...